Nicht das Heilige Land der Bibel, sondern das Land der unbegrenzten Möglichkeiten war für die, unter Diskrimierung und Verfolgung leidenden Juden Osteuropas das Gelobte Land. In Massen wanderten sie vor etwa Neunzig bis Achtzig Jahren aus, in die Vereinigen Staaten von Amerika. Wie es sich so fügte, rutschten nicht wenige in die Kriminalität ab, einige wurden gar zu richtig reichen, mächtigen Gangstern. Einer davon, Bugsy Sigel, war der Gründer von Las Vegas. In Anlehnung an die italienische "Cosa Nostra" sprach man auch von der "Kosher Nostra".
In der gleichnamigen Ausstellung im jüdischen Museum von Wien portraitierte 2005 der israelische Maler Oz Almog die kriminellen Helden von einst, eine Inspiration u.a. für den Musikproduzenten Shantel vom Frankfurter Label EssayRecordings. Zusammen mit Oz Almog gab Shantel nun diesen Mai eine "Kosher Nostra"-Compilation heraus, mit jener, vor allem auch jüdisch beeinflußten Musik aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, welche die jüdisch-amerikanischen Gangster damals vermutlich am liebsten hörten.

Um die Jahrhundertwende war es für die religiös-traditionellen jüdischenEinwanderer aus der Alten Welt oft nicht einfach sich an die moderne und fortschrittliche Kultur in der Neuen Welt anzupassen. Eine Situation, dargestellt auf einen der jiddischen Lieder auf der CD: "What can you mach, sis is Amejrike" komponiert von Sholem Seconda und gesungen vom legendären Aaron Lebedeff. Der altmodische Humor einer längst vergessenen Zeit klagt über die jungen Frauen, die es wagen, schwanger zu werden, bevor sieverlobt sind, statt - wie es zuvor Sitte war - zuerst zu heiraten und dann innerhalb eines Jahres ein Kind zu bekommen. Hier "in Amerike", schnitten sich Jude ihre Bärte und Schläfenlocken ab, sähen also am Ende aus wie die Goiim (Nicht-Juden auf Jiddisch). Aber - so raisoniert der Refrain - "What can you mach, sis is Amerike" (Was soll man machen? Dies ist Amerika).

DJ-Shotnez Ori Kaplan, Saxophonist, Komponist und einer der Produzenten vonBalkanBeatBox und der Sänger und Performer Joe Fleisch haben aus dieser alten Ballade nunmehr ein funky Dancefloor-Remake gemacht. In einem trashigen, schnell abgedrehten Low-Budget-Video in einem Tel-Aviver Aufnahmestudio sehen wir Joe Fleisch, nach Art der religiös-orthodoxen Juden mit schwarzem Hut und Schläfenlocken, wie er mit der recht freizügig-sexy, lediglich mit Body bekleideten Nachwuchsschauspielerin Lital Tayar eine Mischung aus Chassidischen Tanz und Dirty-Dance hinlegt. Ori Kaplan, mit Sonnenbrille und einer Schiebermütze auf dem Kopf, begleitet das Ganze am Keyboard, zusammen mit dem Klarinettisten Eyal Talmudi von OyDivision, der momentan wohl besten Klezmer-Band Israels, der zwar mit Sonnenbrille, Hawai-Hemd, langen Haaren und rasierten Schläfen keineswegs wie ein Klezmer-Musiker aussieht, sich jedoch ganz offensichtlich bewegt und gebärdet wie ein solcher. Unterbrochen von sekundenschnellen, Flash-artigen Einblendungen der Freiheitsstatue, der Silhouette von Manhattan, dem amerikanischen Adler, wild tanzenden orthodoxen Juden und den Bannersternen der amerikanischen Flagge (die auch als Davidsterne daherkommen könnten), ist das gesamte Video alles in allem eine electronic Klezmer-Punk-Geschichtssstunde, in der eine längst vergangene Zeit im Rückblick gefeiert und belächelt wird. “What can you mach, sis is Amejrike”, nach 80 Jahren von der Generation der Enkel entdeckt und revisited, eine Single-Veröffentlichung, der noch weitere Cover alter Songs auf der „Kosher Nostra“-compilation folgen auf der Ende Oktober erscheinenden EP "Oi Amerike! Joe Fleisch presents Yiddish and Non-Yiddish songs from the past, revisited by ElektroYid and the Jewish Monkeys“